Das Fragezeichen

Trotzdem es schon spät ist, kann ich nicht schlafen. Meine Gedanken sind irgendwie noch nicht im Feierabendmodus. Ich denke darüber nach, wie es weiter geht, also in meiner Geschichte, meine ich. Ich habe so viele Ideen, dass reicht für ganz viele Geschichten, doch irgendwie kriege ich es nicht wirklich in Worte gefasst und auf Papier, also in den PC. Eigentlich könnte ich ja an mehreren gleichzeitig arbeiten, dann verzettel ich mich aber bestimmt und der Text aus der einen steht in einer der vielen anderen Geschichten und ich weiß dann nicht mehr was wohin gehört. Ich stelle mir gerade vor, dass Rumpelstilzchen bei Frau Holle mit mischt. Was für eine gruselige Vorstellung. Obwohl ein wenig schmunzeln muss ich ja schon bei dem Gedanken, dass Rumpelstilzchen vor Wut schäumend das Bettzeug schüttelt und den Schneefall etwas arg verstärkt. Das wären dann sicherlich die so genannten Schneestürme. Ich lass mal lieber die Märchen in Ruhe….besser ist das und kehre mal ganz fix zurück zu meiner Geschichte. Vielleicht hilft mir ja ein Kaffee auf die richtige Spur.

Bin gleich zurück….. Huhu, da bin ich wieder, mit dabei mein Grundnahrungsmittel Kaffee, heiß, stark mit Milch im XXL-Becher und Musik läuft auch im Hintergrund. Damit die Stille nicht zu laut wird.

Da fällt mir eine Begebenheit ein, eine so unschöne, bei der ich am Liebsten sofort im Erdboden versinken wollte, die ich absolut keinem wünschen würde. Im Nachhinein betrachtet nach der langen Zeit ist es für mich zu einer Anekdote geworden, die schon fast lächerlich klingt, zumindest der negative Teil. Ich erzähl es einfach und der Leser kann dann selbst entscheiden, wie das einzuordnen ist.

Es war einmal……schmunzel, nein so beginnt es natürlich nicht…..

Ab und an gehe ich ganz gern mal in die Bäckerei, die mit dem angeschlossenen kleinem Café, einen Kaffee trinken und natürlich leckeren Kuchen naschen. Fußläufig gut zu erreichen. Also wenn ich dort ofenfrische Brötchen kaufe, sind die auch noch heiß genug um sich die Finger daran zu verbrennen, wenn ich schon wieder zu Hause bin.

Ein paar Wochen nachdem meine Beziehung ein jähes Ende hatte, ich noch wie ein verletztes Tier am Wunden lecken war, mein Seelchen etliche Kratzer nebst vielen Pflastern hatte, ich mir nicht wirklich vorstellen konnte, jemals wieder Vertrauen zu einem menschlichen Wesen zu haben, bin ich am späten Vormittag in diesem Café, mein Lieblingsplatz, ein kleiner Bistrotisch im hinteren Bereich, ist frei und ich bin mit einem süßen Frühstück, bestehend aus Kaffee und frischen Brötchen mit Butter und Brombeergelee dort beschäftigt. Hänge Gedankenverloren in meiner aktuellen Geschichte, verschenke auch den einen oder anderen Gedanken an neue Geschichten und kriege nur am Rande von dem mit, was um mich herum passiert. Zwischendurch sind meine Gedanken auch mal im Hier und Jetzt anwesend, damit ich mir nicht in die Finger säbele, wenn ich das Brötchen aufschneide, mit der Butter zart bestreiche, das Gelee darauf drapiere und vor allem mir nicht in die Finger beiße, wenn ich das Brötchen esse und beim Kaffee trinken nicht kleckre, sondern nur genieße. Mittlerweile sind die Tische alle besetzt auch die als Raumteiler aufgestellten Stehtische sind besetzt. An dem einen Tisch steht ein sehr männliches freundliches Einzelstück, welches ich schon oft hier gesehen habe, auch schon zu der Zeit als ich noch eine feste Beziehung hatte, so dass wir durch Kopfnicken einen Gruß andeuten, hin und wieder treffen sich unsere Blicke, bleiben einen Augenblick vereint, reden stumm, dann sehe ich ein warmes sehnsüchtiges fast scheues Lächeln, was ich mit einem Lächeln quittiere und das war es dann auch schon mit Konversation. Selbst die Stimme ist mir gänzlich unbekannt, da wir noch kein Wort gewechselt haben.

An dem anderen Stehtisch ist ein Pärchen, das habe ich hier noch nicht gesehen, kenne ich gar nicht, die Frau, durchgestylt, sehr jung, mit dem Rücken zu mir, die Männer ungefähr im gleichen Alter und schwer zu schätzen, ob vielleicht etwas älter als ich oder so.

Ich bin also wieder versunken in meine Geschichte und schreibe mir ein paar Notizen ins Handy. Als ich ganz abrupt aus meinen Gedanken gestoßen werde, weil dieses Püppchen an meinem Tisch steht und mich laut anblafft, ich möge ihr Herzchen in Ruhe lassen und nicht angraben. Ich bin total erschrocken zusammen gefahren. Im ersten Moment war ich irritiert dann sekundenlang völlig sprachlos, konnte die Situation überhaupt nicht direkt zu ordnen. Bestimmt habe ich so selten dämlich wie ein Toastbrot oder zumindest mit dem IQ eines solchem, aus der Wäsche geschaut. Es dauerte etliche Sekunden oder waren es nur gefühlte Sekunden, bis ich auf dem Schirm hatte um was es ging. „Hallo?! Geht es noch? Was hab ich mit so vernebelter Wahrnehmung zu tun?“ Mir war nicht entgangen, dass ihr Herzchen öfter mal an ihr vorbei und nach anderen Frauen schaute, die Auswahl war recht groß im Moment. Aber um das zu tun, dafür war er, ohne Frage, alt genug und außerdem kam von mir keine Reaktion, keine Animation und auch kein Blickkontakt. Ich möchte mal behaupten, dass ich nicht seinem Beuteschema entspreche. Zumindest ist er nicht im geringsten mein Beuteschema. Der Gedanke er könnte mich berühren, gruselt mich und mir ist sofort atok kalt. Das laute Gezeter von dem Püppchen lass ich mal ungeschrieben. Sonst liest es sich wie ein Wörterbuch, nebst Anleitung für Schimpfwörter mit einer eigenen sehr kreativen Wortschöpfung und die vielen „Pieps“ lass ich auch weg, weil das wieder zu langweilig wäre. Es war also schlagartig alles ruhig und jeder starrte herüber. Vielleicht kennt der Leser das Gefühl, wenn man sich wünscht – beam me up Scotty – wie in dem Sciencefiction Film Enterprise, mit Scotty dem Bordingenieur und man weiß genau es wird nichts dergleichen passieren? Dem Herzchen war es anscheinend peinlich und er saß offensichtlich wie ein Häufchen Elend da und brachte keinen Ton raus und machte auch keine Anstalten dem Spuk ein Ende zu bereiten. In dem Moment tat er mir leid, denn das war bestimmt nicht die erste und sicherlich auch nicht die letzte Szene von ihr. Die Bedienung kam und bat das Püppchen ruhig zu sein oder zu gehen. Das war jetzt definitiv sehr unklug formuliert und nicht so ganz der richtige Satz, Öl ins Feuer gießen traf da schon eher zu. Sofort schoss sie ihr Herzchen an, ob diese Frau auch eine von seinen „Piep“… „Piep“ … ist? Eine Antwort kam nicht. Aber dafür stand das männliche freundliche Einzelstück unvermittelt neben ihr, herrschte sie mit einem energischem: “Schluss jetzt!“ an und stoppte damit, ich will es mal freundlich beschreiben, den Redeschwall. Sie klappte perplex den Mund zu. Diese Art Gegenwind scheint sie nicht zu kennen, aber augenscheinlich zu brauchen, stolperte mir der Gedanke durch den Kopf und meine Gesichtsfarbe wechselte von ganz blass in meine normale Farbe. Allmählich verflog auch das peinlich berührt sein der anderen Gäste und vereinzelt, zaghaft kamen die Gespräche wieder in Gang. Das Püppchen raffte ihre Sachen zusammen, nahm ihr Herzchen und verließ fast schon fluchtartig die Bäckerei. Das männliche freundliche Einzelstück stand wieder an seinem Tisch, unsere Blicke trafen sich und ruhten ineinander. Mir hatte die Szene erheblich auf den Magen geschlagen. In diesem Moment sehnte ich mich in Arme die mich halten, mir Geborgenheit geben und wollte nur noch nach Hause. Ich räumte mein Tablett in das Regal für benutztes Geschirr und als ich in Höhe seines Stehtisches war, bedankte ich mich leise für die Hilfe. „Hm, ich hoffe, ich habe Sie nicht auch noch erschreckt!?“ Jetzt klang die dunkle Stimme warm, weich, sehr angenehm, ein schönes Timbre und mir fiel auf. „Nein, das haben Sie nicht. Dankeschön.“ und war auch gleich raus. Draußen atmete ich ein paar mal tief ein und aus, konnte noch seinen dezenten angenehmen Duft schmecken und machte mich auf den Heimweg. Zu Hause habe ich mich in mein Arbeitszimmer verkrümelt, bei leiser Hintergrundmusik meine Notizen sortiert und versucht an meiner Geschichte weiter zu schreiben. So ganz ließ mich die Sache noch nicht los. Ein paar Stunden später schlich sich auch der Kaffeedurst wieder in meinen Bauch und mit einer Tasse frisch gebrühtem Heißgetränk bin ich wieder in meinem Arbeitszimmer verschwunden, mit besserer Motivation.

Am übernächsten Tag bin ich dann auf dem Wege in diese Bäckerei, weil ich Brot brauche. Ich bin zügig fertig und schon im Rausgehen, da fühle ich, dass ich beobachtet werde. Beim Hochschauen trifft mich der ruhige Blick von dem männlichen freundlichen Einzelstück, meinem Retter. Ich nicke einen Gruß, lächle ihn an und will gerade fragen ob ich ihn auf einen Kaffee einladen darf, als Dankeschön für die Hilfe vor zwei Tagen, da sehe ich wie das Herzchen von dem Pärchen auf mich zusteuert. Mir war sofort kalt und meine Gesichtsfarbe wechselt in ganz blass. Was wird passieren, wenn das Püppchen auch gleich hier auftaucht. Ich bezweifle, dass sie ruhig bleibt. Da steht er auch schon vor mir und sagt, dass er gestern auch hier war, um mich zu treffen, sehr beeindruckt war, dass ich so ruhig geblieben bin, als sein Püppchen so schlecht drauf war und er mich gern näher kennen lernen möchte und ob ich mit ihm Essen gehen würde? Also war mein Mitleid mit ihm völlig fehl am Platz, die Reaktion vom Püppchen zwar überzogen und in diesem Fall an der falschen Adresse aber an sich hatte sie recht. Ich muss wohl unbewusst, durch Kopfschütteln, verneint haben. Mein Retter griff meinen Arm, zog mich dichter an seinen Tisch und hat ihn mit energischem Ton aufgefordert mich in Ruhe zu lassen. Einen Augenblick zögerte das Herzchen noch, dann trollte er sich kommentarlos. „Ich kann gar nicht oft genug danke sagen!“, kam es leise von mir. „Sollte nicht zur Gewohnheit werden, sonst sind die Gespräche so eintönig. Ist bestimmt nicht der richtige Moment, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mit mir einen Kaffee trinken.“ Gespannt wartete mein Retter auf eine Antwort. Ich lächelte wieder, dass ich den Kaffee gern mit ihm trinke, aber an einem anderen Tag. Ich fing einen skeptischen enttäuschten Blick auf, aber er sagte nichts weiter. Schon stand ich auf der Straße, ging mit gemischten Gefühlen nach Hause und atmete noch seinen dezent angenehmen Duft.

Das Herzchen ging mir erheblich auf den Keks, mehr noch ärgerte ich mich über meine Sprachlosigkeit, in dieser Situation. Zu einem anderen Bäcker wechseln wollte ich auch nicht. Zum einen war das nicht fußläufig und zum anderen hätte ich dann auch nicht meinen Retter wiedergesehen, um mein Versprechen mit ihm einen Kaffee zu trinken, einzulösen. Was für eine groteske Situation. Eine Weile, mit XXL-Becher Kaffee, schmollte ich in meiner Lieblingsecke. Das Croissant bleibt vorerst unbeachtet. Der Kaffee ist ausgetrunken und mein Seelchen hat noch ein Pflaster mehr. Zurück in meinem Arbeitszimmer tauchen die Gedanken schnell wieder ab in meine Geschichte. Nach intensiv konzentriertem Arbeiten räkel ich mich und mein Bauch schimpft energisch über Totalausfall wegen Hunger. Schmunzelnd erinnere ich mich daran, dass das Croissant noch nicht gegessen ist. Also ab in die Küche und eine Pause einlegen. Mit dem Croissant in der Hand kommt auch die Erinnerung wieder. Nein nicht die negative Erinnerung an das Herzchen und sein Püppchen, die sind mir inzwischen völlig egal, sondern die schöne Erinnerung an meinen Retter, an das angenehme kribbelige Gefühl als seine warme Hand mich am Arm berührt hat, an sein scheues Lächeln, was bis in seine Augen reicht, schleicht in meine Gedanken und bleibt dort ganz frech sitzen. Ich muss unbedingt auf andere Gedanken kommen, seufze ich und überlege was ich tun kann. Das Wetter ist angenehm, die Sonne scheint, ein leichter warmer Wind geht, wohin auch immer er unterwegs ist, lädt ein zu einem langen Spaziergang. Allein macht das nicht wirklich Spaß, aber lenkt die Gedanken ab und pustet den Kopf frei. Die frische Luft tut gut, der sanfte warme Wind streichelt Haut und Seelchen und selbiges kommt allmählich zur Ruhe. Meine Gedanken, weit weg von den abenteuerlichen Begebenheiten der letzten Tage, fliegen auf Schwingen der Phantasie der Zeit voraus. Gedankenverloren tappe ich den Waldweg entlang, begleitet von diesem frechen, scheuen Lächeln, was prickelnd in meinem Kopf rumspukt. Wie immer habe ich das Umfeld weiträumig ausgeblendet. Im Wald fahren keine Autos, die Rehe werden mich bestimmt nicht umrennen, die Kaninchen mir keine Haken stellen, die Waldameisen tun mir nichts, also kann mir nichts schlimmes passieren, dachte ich und achte nur darauf dass ich nicht über ein Ameisenskelett stolpere. Dadurch habe ich auch den einzelnen Spaziergänger nicht gesehen, der mich eine Weile beobachtet und dann weiter geht. Aber das Leben spricht eine eigene Sprache. Ein „Hallo“ ließ mich erschreckt zur Seite springen. Mein Puls und Blutdruck haben sich aus dem normalen Standby Modus abrupt in ungesunde Höhenflüge katapultiert. Nach endlosen Sekunden, ist auch meine Atmung wieder auf dem normalen Level von ein und ausatmen und mein Denken setzt wieder ein. „Entschuldigung ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Es ist mein Retter aus der Bäckerei. „Ist schon ok. Ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt und habe wie so oft nichts mitbekommen.“ Wie selbstverständlich geht er ein Stück des Weges mit mir und beim unkompliziertem Smalltalk über dies und das, die Hände untermauern das gesagte gestenreich und berühren sich zufällig und oft dabei. Seine Gesellschaft, mit ihm zu sprechen, ist angenehm und krabbelt mir undefiniert unter die Haut. Ein bisserl tut es mir leid, als er sich verabschiedet. Mit gut ausgelüfteten Gedanken und Kaffeedurst bin ich zurück in meiner Wohnung, koche mir einen starken Kaffee, dazu Schokolade und verkrümel mich in meiner Lieblingsecke unter meine Flauschdecke. In Gedanken spinne ich an meiner Geschichte. Jetzt muss das ganze noch aufs Papier bzw in den PC.

Mein Kaffee ist getrunken, der Becher bereits kalt, mit einem Lächeln tappe ich barfuß in mein Arbeitszimmer und tippe fleißig motiviert und konzentriert die Gedanken in den PC. Geschafft. Die Geschichte ist fertig. Morgen noch mal Korrekturlesen und dann ist die Geschichte ganz fertig. Nun kann ich mir beruhigt Feierabend gönnen. Draußen ist es schon dunkel und ohne Blick auf die Uhr tappe ich barfuß in Richtung Bad für eine Katzenwäsche, auf dem Wege räume ich den Rest in der Küche auf und geh in mein Bett. Hätte ich jetzt nicht gedacht, dass das Sandmännchen so ein schnelles Kerlchen ist. Ich bin fast gleich nach dem Zudecken ins Land der Träume gereist. Mein Kopfkino funktioniert einwandfrei, auch wenn ich im Schlafmodus bin, fliegen meine Gedanken pfeilschnell auf den Flügeln eines jagenden Adlers ins Nirvana. Baden in warmen Sonnenstrahlen, tanzen wie Blätter im Wind und die Ereignisse des Tages verlieren gänzlich an Bedeutung, außer

diesem frechen scheuen Lächeln, das begleitet mich durch meine Träume. Bringt das Lied der Sehnsucht nach Nähe und Zweisamkeit in mir zum Klingen. Der Gedanke von den Händen die zu diesem Lächeln gehören berührt, gestreichelt zu werden, entfacht eine sachte Erregung durch die Adern sickernd, fängt sich im Bauch. Entfaltet ein warmes wohliges Gefühl.

Am nächsten Morgen wache ich mit einem Lächeln auf, bin voller Tatendrang. Nach einem heißen Schaumbad und einem Wohlfühl Programm sitze ich bei frisch gebrühtem heißem Kaffee in der Küche, stöbere durch die Zeitung und überlege was ich als nächstes mache. Einkaufen steht ganz groß an erster Stelle auf meiner Liste. Da ich aber keine gute Freundschaft mit einkaufen hege, versuche ich das immer weit raus zu zögern. Manchmal gelingt mir das ja so ein paar Tage, aber irgendwann muss es sein und dieses Muss ist heute. Also bade ich in Verbindung mit einem zweiten XXL-Becher Kaffee in Selbstmitleid und bin am Grummeln, weil es kein anderer für mich machen wird. Ergo je eher ich losgehe desto eher ist es fertig und ich wieder zu Hause. Mit Schlappohren und einem Stoßseufzer schlappe ich ins Schlafzimmer, streife Jeans und T-Shirt über, Einkaufskorb, Handy, Schlüssel, Geldbörse und los. Auf halber Strecke stelle ich fest, der Einkaufszettel liegt noch auf dem Küchentisch. Fängt ja toll an, grusel ich mich und laufe wieder zurück. Auch der Einkaufsladen ist fußläufig erreichbar. Ich überlege, mir als kleines Highlight auf dem Rückweg Kaffee und Kuchen in der Bäckerei zu gönnen, dann spare ich mir das Kochen. Der Gedanke versöhnt mich ein wenig, da der Bäcker auf dem direkten Weg liegt. Uuups erwischt, natürlich auch die stille Hoffnung, dass ich das freche Lächeln live sehen kann.

Das Einkaufen ging recht flott, da ich nur die Liste abgearbeitet habe und mich nicht länger als unbedingt nötig dort aufhalte. Noch in Gedanken mit einkaufen beschäftigt schaue ich natürlich nicht, wo ich lang laufe und rempel jemanden an. Im Weitergehen, murmel ich eine Entschuldigung. „So einfach geht das nicht!“, sagt eine Stimme zu mir und die dazu gehörende Person versperrt mir den Weg. Leichte Panik durchzieht meinen Körper und ich schaue irritiert in das belustigte Gesicht meines Retters. Mein Blutdruck noch auf gleicher Höhe mit der Eifelturmspitze, beruhigt sich wieder, ich entschuldige mich noch einmal und überlege krampfhaft wo er so plötzlich herkommt. „Haben Sie Lust mit mir einen Spaziergang zu wagen, das schöne Wetter bettelt förmlich und drängt zum draußen rumlaufen.“ „An sich ist es eine gute Idee. Ich muss aber meinen Einkauf nach Hause bringen und die Schuhe tauschen, sonst ist es eher ein Hindernisrennen als ein Spaziergang.“ Ein amüsierter Blick erreicht meine Schuhe und das Schmunzeln sagt mir, dass wir die Meinung teilen. Er begleitet mich bis zu meiner Wohnung. Manchmal kann ich auch richtig fix sein, dann sind sogar meine Gedanken zusammenhängend im Hier und Jetzt. Er braucht nicht lange vor der Tür auf mich zu warten und los geht es. Am See entlang, parallel zum Park, direkt in den Wald. In angeregtem Gespräch mit ihm, wir reden beide mit Unterstützung der Hände und berühren uns dabei des öfteren. Was ich durchaus als sehr angenehm empfinde, in vielen Themen scheint er sich gut auszukennen, ganz oft teilen wir die gleiche Sichtweise, die Zeit ist schnell verflogen, ich genieße die Zeit und das unkomplizierte Gespräch. Auch entstehende Pausen sind nicht unangenehm, sondern gehören irgendwie dazu. Mir entgeht nicht, dass der Abstand zwischen uns enger wird, dass seine Finger immer näher kommen und nach einer Weile berühren sich unsere Hände. Es fühlt sich gut an. Ich suche nach einer Antwort in mir auf seine Wort freie Frage, schaue hoch und unsere Blicken treffen sich, ruhen in einander, halten sich fest für ein paar lange Sekunden, dann schaue ich weg und wir laufen weiter.

„Ich weiß, dass es noch zu früh ist und du sicher noch nicht bereit bist für eine neue Beziehung. Ich will dich auch nicht drängen oder bedrängen. Vielleicht kannst du mich ein Stück weit verstehen. Als ich dich sah, traf mich dein Lachen, erschütterte meine kleine heile Welt in ihren Grundfesten. Dein Lächeln hat meine Seele berührt und erweckte so vieles in mir, was ich längst verloren glaubte. Aber du warst in einer scheinbar intakten Beziehung, darum versuchte ich so weiter zu leben wie bisher. Doch ich kann nicht mehr zurück, zu spät um weiter zu leugnen. Vergessen kann ich dich nicht, du bist so zum greifen nah und doch so endlos fern. Unter all diesem verworrenen Chaos keimt ein winziges kleines Körnchen Hoffnung und wenn du in meine Träume kommst, bist du in meinen Armen, mir ganz nah, entfacht die Sehnsucht nach Nähe, nach Zweisamkeit, getragen und gehalten werden. Nach zärtlichen Küssen, Lippen die den Spuren der Hände folgen. In meinem Traum bist du der Wind in meinen Flügeln, schweben wir leicht wie eine Feder im Wind, erklimmen die höchsten Gipfel der Lust, schreiben Wunder in die Wolken, schmecke ich deinen Duft, so süß, so zart. Dann spüre ich den Frieden der Nacht, so sanft wie deine Hände im Einklang der Gefühle. Die Sehnsucht nach dir ist für diese kurze Zeit erträglich. Bitte, sag mir, ob meine Träume eine echte Chance haben?“ Mein erster impulsiver Gedanke ist, davon zu laufen. Meine kleine kesse vorlaute Stimme wispert, was machst du hier eigentlich und was willst du tatsächlich? „Ich weiß es wirklich nicht, weiß nicht was richtig oder falsch ist, was ich will oder nicht will. Aber ich weiß: keine Gefühle, keine Verletzungen. Die Wunden meiner gescheiterten Beziehung sind noch nicht abgeheilt, die Kratzer schmerzen, sind noch gut fühlbar und irgendwie sind da noch so viele Pflaster auf meinem Seelchen. Das Pflänzchen Vertrauen braucht viel Pflege und Zeit.“ Stumm laufen wir weiter, keine unangenehme wortlose laute Stille, sondern das nach spüren dieser Situation. Er bleibt stehen. Ein paar Metern weiter bleibe ich auch stehen, drehe mich zu ihm und schaue ihn nur an. Sein Blick lässt mich nicht aus, beobachtet mich intensiv. Er öffnet seinen Arm, wartet, kommt dann zu mir. Seine Hand ruht sanft auf meinem Rücken, sacht nimmt er mich in seinen Arm, haucht einen Kuss in mein Haar und flüstert: „Ich weiß das! Ich achte auf dich.“ Ganz vorsichtig lehne ich mich an ihn, atme seinen Duft, lausche dem Nachklingen seiner Worte und staune über das, was es in mir bewirkt. Leise, behutsam, langsam lösen sich ein paar Pflaster von meinem Seelchen, mit ihnen lösen sich auch ein paar dunkle Schatten der letzten Wochen, verwehen wie Staub im Wind und geben den Platz frei für einen kleinen zarten Setzling, namens Hoffnung. Ich hebe meinen Kopf und sehe ein scheues Lächeln, das bis in die Augen reicht und mich liebevoll streichelt, umarmt und erwidere dieses Lächeln. In seinem Arm gehen wir gemeinsam weiter.

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